Aktuelle Änderungen im Familienrecht
Aufgrund der Dynamik und der Informationsflut im Internet beschränke ich mich auf die wichtigsten Gesetzesänderungen.
I. Aktuelles zum Eherecht
Innerhalb von Politik und Gesellschaft war die Einführung der "Ehe für alle" im Herbst 2017 sehr umstritten. Das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG), das die Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare regelt, wurde zum 01.10.2017 durch das Recht der Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe ergänzt. Die Erklärungen zur Schließung einer Ehe sind vor dem Standesbeamten bekannt zu geben. Seit dem 01.10.2017 können somit gleichgeschlechtliche Partner die Ehe begründen.
II. Aktuelles zum Unterhaltsrecht
1) Ehegattenunterhalt
Die größte Zäsur im Unterhaltsrecht für Ehegatten stellte die Unterhaltsrechtsreform im Jahr 2009 dar, welche die Eigenverantwortlichkeit jedes Ehegatten nach der Scheidung in den Fokus stellt (s. unter der Rubrik "Familienrecht"). In den Folgejahren wurde die Erwerbsobliegenheit der das Kind betreuenden Mutter zwischen den Familiengerichten kontrovers diskutiert. Nach mehreren Grundsatzentscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht), ist seit einigen Jahren Ruhe eingekehrt. Das Unterhaltsrecht ist nunmehr gekennzeichnet von einer individuellen Einzelfallrechtsprechung und einem großen Ermessensspielraum des zuständigen Familienrichters. Die Höhe und Dauer des Ehegattenunterhalts kann daher nicht verallgemeinert dargestellt werden. Für die Beurteilung dieser Rechtsfragen spielen im Einzelfall individuelle Faktoren eine Rolle, wie die Anzahl der Kinder, das Alter jedes Kindes, die Möglichkeiten einer Fremdbetreuung, gesundheitliche Einschränkungen des Kindes sowie die objektiven und realistischen Erwerbsmöglichkeiten der Mutter (Erwerbsbiographie der Mutter, Chancen auf dem Arbeitsmarkt etc). Zuletzt wurde als weiteres Kriterium für die Länge der Unterhaltsberechtigung die Dauer der Ehe gesetzlich festgesetzt.
2) Kindesunterhalt
Kontrovers wird derzeit aktuell die Unterhaltspflicht bei der Ausübung des Wechselmodells und des erweiterten Umgangs diskutiert. Das Wechselmodell ist davon gekennzeichnet, dass beide Elternteile das Kind paritätisch genau zu gleichen Anteilen betreuen. Erforderlich ist, dass beide Elternteile quantitativ und qualitativ gleich große Betreuungsanteile übernehmen. Hierdurch entfällt die Aufteilung von Barunterhalt und Betreuungsunterhalt. Die höchstrichterliche Tendenz geht dahin, dass im Falle eines Wechselmodells beide Elternteile nach der Höhe ihres jeweiligen Einkommens Barunterhalt (Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle sowie Mehr - und Sonderbedarf) schulden.
Konkret bedeutet dies, dass der errechnete Barunterhaltsanspruch des Kindes prozentual auf beide Elternteile aufgeteilt wird. Voraussetzung ist, dass beide Elternteile leistungsfähig sind, d.h. dass das jeweilige Einkommen über dem Selbstbehalt liegt. Der Einfachheit halber bedient man sich hierfür häufig auch einer Bruchteilsberechnung in einfachen Brüchen. Von dem geschuldeten Kindesunterhalt schuldet z.B. der häufig mehr verdienende Vater 2/3, während die weniger verdienende Mutter für 1/3 des Unterhalts aufkommt. Trotz dieser einleuchtenden Vorgehensweise tauchen dennoch weitere Probleme auf. Wie wird es monetär behandelt, wenn das Kind bei einem Elternteil wesentlich hochwertigere Versorgungsleistungen und Zuwendungen erhält. Wird dies angerechnet? Wie wird der faktisch geleistete Naturalunterhalt durch das Zurverfügungstellen von Wohnraum und Nahrung angerechnet? Für die Beurteilung dieser Rechtsfragen besteht ein weiter richterlicher Ermessensspielraum. In der Praxis gibt es hierzu noch viele ungeklärte Fragen. Die Unterhaltsberechnung für Kindesunterhalt beim Wechselmodell ist überdurchschnittlich kompliziert.
Problematisch ist häufig für die Mutter der Wechsel von dem "Residenzmodell" bzw. dem "erweiterten Umgang" zum "Wechselmodell". Solange die Mutter das minderjährige Kind allein betreut, schuldet sie keinen Barunterhalt. Aufgrund der Betreuung des Kindes ist die Mutter häufig eingeschränkt erwerbstätig und erzielt ein niedriges Einkommen, das unterhalb des Selbstbehalts liegt. Sobald die Betreuung jedoch im Wege des Wechselmodells paritätisch aufgeteilt wird, wird die Mutter barunterhaltspflichtig und muss dem Kind anteilig Kindesunterhalt zahlen. Praktisch führt dies häufig zu wirtschaftlichen Problemen, da eine Aufstockung der bisherigen eingeschränkten Erwerbstätigkeit häufig nicht schnell realisiert werden kann. In meiner Beratung erlebe ich zudem, dass der Wechsel vom "Residenzmodell" bzw. "erweiterten Umgang" zum "Wechselmodell" für die Mutter nicht nur wirtschaftlich Schwierigkeiten bereitet, sondern auch emotional schwer verkraftet wird.
III. Aktuelles zum Sorge - und Umgangsrecht
1) Die gerichtliche Anordung des Wechselmodells
Im Februar 2017 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) sich mit der Frage befasst, ob das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden kann (BGH Beschl. v. 01.02.2017, AZ XII ZB 601/15). Das Wechselmodell stellt eine Form der Kindesbetreuung dar, bei dem beide Elternteile paritätisch das Kind zu gleichen Anteilen versorgen und betreuen. Hier ist eine Unterscheidung vom sog. erweiterten Umgang vorzunehmen, bei dem der Umgang auf bis zu 45 % Zeitanteil von dem umgangsberechtigten Elternteil vorgenommen wird, jedoch der Lebenmittelpunkt des Kindes bei dem anderen Elternteil ist. Die Grenzen zwischen dem erweiterten Umgang und dem Wechselmodell sind mitunter fließend. Für eine rechtliche Einordnung ist diese Unterscheidung jedoch erforderlich.
In der zitierten Entscheidung ordnete der BGH das Wechselmodell zum Rechtsgebiet des Umgangs ein, was unter den Familienrechtlern umstritten ist. Teilweise wird das Wechselmodell dem Rechtsgebiet des Sorgerechts zugeordnet.
In der erwähnten Entscheidung kam der BGH zu der Auffassung, dass die Anordnung des Wechselmodells im konkreten Fall dem Kindeswohl entspricht. Das Kindeswohl wird durch die Anhörung des Kindes durch das Jugendamt, einem Verfahrenspfleger sowie ggf. auch des zuständigen Familienrichters (siehe hierzu die Rubrik Familienrecht) ermittelt. In der Praxis hat sich gezeigt, dass kleinere Kinder durch eine Anhörung häufig überfordert sind und das Ergebnis der Anhörung oftmals Zweifel birgt, ob das von dem Kind Geäußerte wirklich dem wahren Willen des Kindes entspricht. Spricht sich das Kind für das Wechselmodell aus, indem es äußert, sich bei beiden Elternteilen gleich wohl zu fühlen, kann das Gericht das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils anordnen. Eine Ausnahme bilden die Fälle, in denen die Kommunikation beider Elternteile durch den Trennungskonflikt extrem belastet ist, somit die praktische Durchführung des Wechselmodells gefährdet ist.
2) Der neu eingefügte § 1626 a BGB: Die elterliche Sorge für nicht miteinander verheiratete Eltern
Schon vor der Reform des Kindschaftsrechts gab es die Möglichkeit, dass beide Eltern vor dem Jugendamt eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgeben. Hiermit wurde das Sorgerecht des Vaters begründet. Schwierig waren die Fälle, wenn der Vater keine Sorgerechtserklärung abgegeben hatte. Dann hatte automatisch die Mutter das alleinige Sorgerecht für das Kind. Um das gemeinsame Sorgerecht auch für nichtverheiratete Väter einzuführen, hat der Gesetzgeber den neuen § 1626 a BGB eingefügt. Hiernach kann der Vater beim Familiengericht einen Sorgerechtsantrag nach § 1626 a Nr. 3 i.V.m. Absatz 4 BGB stellen. Das Familiengericht überträgt sodann dem Vater das gemeinsame Sorgerecht, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Zu beachten ist hier die sog. negative Kindeswohlprüfung. Das Gericht muss hier nicht ermitteln, ob die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf den Vater dem Kindeswohl entspricht, sondern es reicht aus, dass keine gewichtigen Gründe gegen die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf den Vater bestehen. Praktisch bedeutet dies, dass der Antrag inzwischen bei den Familiengerichten absolut geläufig ist, meist positiv beschieden wird und in der Regel - wenn die Mutter keine gewichtigen Gründe vorträgt, die gegen das gemeinsame Sorgerecht sprechen - auch ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.
3) Das Beschleunigungsprinzip in Umgangsverfahren gemäß § 155 FamFG
Neu in das Kindschaftsrecht installiert wurde ferner das Beschleunigungsgebot. Hiernach müssen Kindschaftsachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls beschleunigt durchgeführt werden. Eine mündliche Verhandlung soll spätestens einen Monat nach Antragstellung stattfinden. Grund für das Beschleunigungsgebot ist die Tatsache, dass häufig ein Elternteil eine Verschleppung des Verfahrens anstrebt, um eine Entfremdung des Kindes mit dem anderen Elternteil zu bewirken. Dem wird hiermit ein Riegel vorgeschoben.
4) Das Umgangsrecht des leiblichen, nicht ehelichen Vaters
Hier gibt es zwei Varianten: Die Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind und die Fälle, in denen die leibliche und die rechtliche Vaterschaft auseinanderfallen. Wenn während einer bestehenden Ehe ein Kind geboren wird, gilt gemäß § 1592 Nr. 1 BGB qua Gesetz automatisch der Ehemann als der leibliche Vater. Dies gilt auch, wenn der Ehemann nicht der Erzeuger des Kindes ist, solange der Ehemann die Vaterschaft nicht anficht. Nach dem neu gefassten § 1686 a BGB hat auch der leibliche Vater, der nicht der rechtliche Vater ist, einen Anspruch auf Umgang mit dem Kind, wenn er ein ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat und der Umgang dem Kindewohl dient.
Wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet sind, ergibt sich das Recht des Vaters auf Umgang aus § 1684 BGB, welcher allein auf die biologische Vaterschaft abstellt.
3) Entscheidung über eine Impfung des Kindes
Es bestand zwischen den einzelnen Familiengerichten Uneinigkeit, ob die Frage der Impfung des Kindes der Zustimmung des anderen Elternteils bedarf. Rechtlich war umstritten, ob die Entscheidung über eine Impfung das Sorgerecht tangiert oder ob diese Frage eine alltägliche Entscheidung darstellt, die nicht zustimmungspflichtig ist. Das OLG Thüringen (OLG Thüringen, Beschl. v. 7.3.2016 - 4 UF 686/15) hat entschieden, dass eine Impfung wegen der damit potenziell verbundenen Folgerisiken eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 1628 BGB darstellt. Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung fallen unter das Sorgerecht. Folglich ist die Entscheidung über die Impfung des Kindes von dem mitsorgeberechtigten Elternteil zustimmungspflichtig. Weiterhin hat das OLG Thüringen für den Fall einer streitigen Auseinandersetzung über eine Impfung entschieden, dass eine Impfung dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn sie von der Ständigen Impfkommission (STIKO) befürwortet wird.